Wenn anders sein normal ist
Die Grundschule Münchsmünster ist seit dem Schuljahr 2013/14 eine der oberbayerischen Schulen mit dem Schulprofil Inklusion.
Grundlage für das neue Schulprofil ist eine Gesetzesänderung vom Juli 2011, die der Landtag in einer seltenen Einhelligkeit ohne Gegenstimmen angenommen hat.
Übergeordnetes Ziel dieser Schulen ist es, das gemeinsame Lernen, Arbeiten und Gestalten von jungen Menschen mit und ohne Förderbedarf zu ermöglichen.
Die gezielte Förderung erstreckt sich dabei vom schwachbegabten oder Förderschüler bis zum hochbegabten Schüler.
Für den inklusiven Unterricht stehen zusätzliche Förderstunden zur Verfügung.
Das gemeinsame Lernen gestalten Lehrkräfte von allgemeinen Schulen und Lehrkräfte von Förderschulen zusammen.
An unserer Schule ist dies, neben den Lehrkräften der Grundschule Münchsmünster, eine Studienrätin im Förderschuldienst, die vom Sonderpädagogischen Förderzentrum Geisenfeld, an unsere Schule abgeordnet wurde.



„Inklusion beginnt in den Köpfen.”
Vor wenigen Jahren noch war das für Michael Hanna ein bloßes Schlagwort. Inzwischen weiß es der Rektor der Grundschule Münchsmünster, einer von nur drei Schulen mit Schulprofil Inklusion im Landkreis Pfaffenhofen, besser. „Wir haben in den zurückliegenden Jahren viel gelernt und viele sehr positive Erfahrungen gemacht. Aber wir haben auch gelernt, dass wir keine Wunder wirken können und manches eben nicht klappt.”
Seit Mitte 2011, so weiß Hanna, ist Inklusion Aufgabe aller Schulen in Bayern. Grundlage für die Inklusion ist hier eine Gesetzesänderung vom Juli 2011, die der Landtag ohne Gegenstimmen angenommen hat. Seither entscheiden die Eltern darüber, ob ein Kind mit sonderpädagogischem Förderbedarf in der Regelschule oder, wie früher üblich, einer gesonderten Schule unterrichtet werden soll. Fällt die Entscheidung für eine Regelschule erfolgt die Zuteilung, wie bei allen anderen Kindern auch, nach dem Schulsprengel.
„Früher und oft auch heute noch”, sagt Hanna, „führt der Weg für Körperbehinderte auf eine eigene Schule, der von geistig Behinderten auf eine andere. Es gab Schulen für Blinde, für Taube, Sprachheilschulen und so weiter. Inzwischen ist man davon ein kleines Stück weit abgekommen und das ist auch gut so.”
Denn wann genau ein Kind Förderbedarf hat, das ist zwar in der Theorie hinreichend festgelegt. In der Praxis aber oft schwierig. „Man wird dem Einzelfall einfach nicht gerecht, wenn man sagt das Kind mit einem IQ von 85 geht auf die Regelschule und das mit einem IQ von 84 geht auf die Förderschule.” Tatsächlich sei das Spektrum von Inklusionskindern unglaublich vielfältig und beginne oft schon bei einer kaum merklichen Lernschwäche. Fakt sei aber, so Hannas Erfahrung, dass all das nichts mit der Fähigkeit zu tun habe in einen Klassenverband hineinzuwachsen. Natürlich sei die Skepsis „bei vielen, auch bei mir, am Anfang groß gewesen”, gibt er unumwunden zu.
Wenn man aber bereit sei, außerhalb der festgelegten Muster zu denken, merke man sehr schnell, dass eine gemeinsame Beschulung der Kinder einfach mehr Sinn mache und viele Vorteile biete. „Ein bisschen”, so meint er schmunzelnd, „ist das wie früher: Da konnte sich auch keiner vorstellen, dass Jungen und Mädchen zusammen zur Schule gehen und heute ist das völlig normal.”
Etwas schwieriger sei das Thema Inklusion natürlich schon, aber wie immer sei auch hier der erste Schritt der Wichtigste. Wenn die Bereitschaft da sei, dann sei schon sehr viel geschafft.
Und Bereitschaft umzudenken ist bei großen Veränderungen wie diesen bei allen Beteiligten gefragt: „Am leichtesten” sagt Hanna, „ging es bei den Kindern.” In den ersten beiden Klassen finden die es noch völlig normal wenn einer ihrer Klassenkameraden eine gewisse Sonderbehandlung erfahre. Danach wird es schwieriger, aber wer es nicht anders kennt, hat auch dann keine Probleme.
Unterschiede beim Lernstoff oder bei der Bewertung sind im Rahmen der Inklusion allerdings unumgänglich. Das fange, so Hanna, damit an, dass ein Kind im ein oder anderen Fach andere Arbeitsblätter bekomme oder andere Proben schreibe und reiche bis zur Anwesenheit eines Schulbegleiters in der Klasse. „Und genau an dieser Stelle”, sagt der Rektor zufrieden, „bin ich sehr froh, dass ich ein so engagiertes Kollegium habe, das bereit ist, da mitzuziehen.”
Nicht minder froh sei er auch, dass die Grundschule Münchsmünster dank des Schulprofils Vorteile gegenüber anderen Schulen genieße, die sich letztlich oft den gleichen Herausforderungen stellen müssen. „Wir haben ein paar Stunden pro Woche mehr zur Verfügung und wir haben für ein paar Stunden pro Woche eine Kollegin von der Förderschule in Geisenfeld hier, die uns zur Seite steht.”
Konkret heißt das, dass Schüler auch einmal gezielt aus der Klasse herausgenommen und speziell gefördert werden können. Genauso wichtig findet Hanna aber auch, die Erfahrung, die von geschultem Fachpersonal an die Kollegen an seiner Schule weiter gegeben werden kann. „Das gibt es an anderen Schulen nicht. Es ist aber unendlich wertvoll für alle Beteiligten.”
Am Ende steht für ihn nach über fünf Jahren Inklusion in Bayern und auch an seiner Schule vor allem eines fest: Veränderung ist nie leicht, aber in diesem Fall ist sie die Mühe wert.
Von Susanne Lamprecht